Tourverlauf mit Start und Ziel in Cles
800 km und 14600 Hm durch Lombardei und Schweiz
Nach Jahrzehnten Tourplanung und immer wieder neuen Rundfahrten werden die weißen Flecken im Alpenraum kleiner. Neues zu entdecken und zu einer Rundfahrt zu verbinden stellt daher zunehmend eine Herausforderung dar. Eine Gegend wurde bisher von den Alpinradlern wenig beachtet: die Lombardei und besonders die Bergamasker Alpen. Das letzte Rennen der Radprofis findet mit der „Lombardeirundfahrt“ jedes Jahr zwischen Bergamo und Como statt. Immer auf dem Programm ist auch der Anstieg zur dem Radsport geweihten Kapelle „Madonna del Ghisallo“ - Pflichtprogramm für jeden Rennradler. Da sollte sich doch eine schöne Runde zusammenstellen lassen. Je detaillierter die Planung verlief, desto mehr weitete sich der Blick Richtung Oberitalienische Seen und schließlich auch noch in die Schweiz - es sollte eine äußerst reizvolle und sehr anspruchsvolle Tour werden.Als Begleitfahrer machte sich diesmal wieder Werner Henni unentbehrlich. Er sorgte unterwegs für das leibliche Wohl und war, wenn nötig, auch mit zusätzlicher Kleidung zur Stelle. Und es sollte dringend nötig werden…
Devotionalien der Veteranen des Radsports in der Kapelle "Madonna del Ghisallo"
(ein Klick auf die Tourgraphiken öffnet den genauen Streckeplan in bikemap)
1. Etappe: Von Cles nach Breguzzo (71km, 1350 Hm)
Sonntag, 28. Juli
Am Start in Cles
Anstieg nach Madonna di Campiglio
2. Etappe: Idro- und Iseosee (126 km, 1500 Hm)
Montag, 29. Juli
Kaffeepause am Idrosee
Mittagspause am Iseosee
Lago d'Iseo
3. Etappe: Lombardeirundfahrt I (115 km, 2450 Hm)
Dienstag, 30. Juli
Ausblick Richtung Bergamo
Pause in San Bernardo
Castello di Casiglio
4. Etappe: Lombardeirundfahrt II (123 km, 1530 Hm)
Mittwoch, 31. Juli
Nach dem Hagelsturm
Staunen in der Kapelle
Entspannung in der Fattoria Amorosa
5. Etappe: Durch die Schweiz I (121 km, 2650 Hm)
Donnerstag, 1. August
Freie Fahrt zum San Bernardino
Kaffee am San Bernardino
Passbild am Nationalfeiertag
Nach 8 km Abfahrt durch gut ausgebaute Kehren war ab dem Nordportal des Tunnels wieder der Verkehrslärm als ständiger Begleiter zu hören. Für die rauschende Abfahrt neben der Schnellstraße konnten wir uns richtig austoben, die Straße gehörte uns. Beim Ort Splügen begann dann der Anstieg zum gleichnamigen Pass. Die Idee, dort hochzufahren hatten außer uns auch noch viele Autofahrer und noch mehr Biker, die für einen entsprechenden Lärmpegel während des 9 km langen Anstiegs sorgten. Auf der 30 km langen Abfahrt bis zum Zielort Chiavenna wichen dann die Anstrengungen des Tages rasch der Vorfreude auf das Ankunftsbier in der wärmenden Abendsonne. Gerne hätten wir den reizvollen Ort im Bergell nach dem Abendmenü noch erkundet, doch ein heftiges Unwetter, das über die Gegend hereinbrach, machte uns da leider einen Strich durch die Rechnung.
6. Etappe: Durch die Schweiz II (113 km, 2400 Hm)
Freitag, 2. August
Es sollte heute spannend werden. Die Etappe durch die Schweiz stand bereits 2002 auf dem Programm, bei bestem Wetter. Die Prognosen für diesen Tag ließen uns aber mit gemischten Gefühlen starten, denn noch vor St. Moritz sollte Regen einsetzen. Doch zunächst lagen 30 km und 1400 Höhenmeter hinauf zum Maloja vor uns. Die Hauptverbindungsstraße ist sehr gut ausgebaut, der Verkehr stellte daher kein Problem dar, auch nicht in den abschließenden, steileren Kehren kurz vor der Passhöhe.
Der Maloja ist kein gewöhnlicher Pass, denn es gibt Richtung Norden keine Passabfahrt. Zunächst geht es flach vorbei an Silvaplana nach St. Moritz und dann 460 km am Inn entlang bergab bis Passau. Das 20 km lange Flachstück bis zur Abzweigung zum Bernina bot ausnahmsweise die Gelegenheit mit richtig Zug im Grupetto zu fahren. Das ließen sich auch andere Radler nicht nehmen und hängten sich an, mussten dann aber auch Führungsarbeit leisten. Der für St. Moritz prognostizierte Regen blieb aus und hoffnungsvoll kurbelten wir dem Bernina, der mit seiner mäßigen Steigung keine großen Ansprüche stellt, entgegen.
Schlechte Vorzeichen am Bernina Es hätte ein Genuss werden können, hätten nicht Blitze und Donnergrollen ein herannahendes Unwetter angekündigt. Es sollte eines der heftigsten werden, das uns auf Touren je erwischt hatte.
Ospizio Bernina - Ausblick auf 7°C Die Temperatur sank rasch in den einstelligen Bereich, in stürmischer Nässe wurde Regenkleidung angelegt und es ging weiter Richtung Passhöhe. Im Finale peitschten dann Hagelkörner ins Gesicht und das Wasser floss uns in Bächen in den Straßenrinnen entgegen. Was für eine Erlösung, als endlich das Ospizio Bernina erreicht war und das Unwetter, durchnässt und durchgefroren, von der warmen Gaststube aus verfolgt werden konnte. Die Option, mit der Rhätischen Bahn weiterzufahren, wurde nach einer Stunde verworfen. Es hatte aufgehört zu regnen und dick eingepackt ging es auf die lange Abfahrt nach Tirano. Bei diesen Bedingungen hat sogar der sonst so zuverlässige Sigma Bordcomputer seinen Dienst versagt, was den scheinbaren Absturz in der obigen Grafik zur Folge hatte. Vor Tirano war dann nochmals sehr hohe Konzentration erforderlich, denn die Straße kreuzt mehrmals die Rhätische Bahn, die dann wie eine Straßenbahn in Tirano einfährt. Nachdem alle heil am Quartier angekommen sind bleibt die Gewissheit, dass diese Etappe noch lange für Gesprächststoff sorgen wird.
Die letzten Kehren vor Maloja
Der Maloja ist kein gewöhnlicher Pass, denn es gibt Richtung Norden keine Passabfahrt. Zunächst geht es flach vorbei an Silvaplana nach St. Moritz und dann 460 km am Inn entlang bergab bis Passau. Das 20 km lange Flachstück bis zur Abzweigung zum Bernina bot ausnahmsweise die Gelegenheit mit richtig Zug im Grupetto zu fahren. Das ließen sich auch andere Radler nicht nehmen und hängten sich an, mussten dann aber auch Führungsarbeit leisten. Der für St. Moritz prognostizierte Regen blieb aus und hoffnungsvoll kurbelten wir dem Bernina, der mit seiner mäßigen Steigung keine großen Ansprüche stellt, entgegen.
Schlechte Vorzeichen am Bernina
Ospizio Bernina - Ausblick auf 7°C
7. Etappe: Finale mit Gavia (130 km, 2770 Hm)
Samstag, 3. August
Blauer Himmel beim ersten Blick aus dem Fenster ließ große Erleichterung aufkommen. Perfektes Wetter für das große Finale, die anspruchsvollste Etappe stand auf dem Programm. Vom Hotel weg ging es nicht weniger als 57 km nur bergauf. Nach den ersten 30 km bis Bormio mit mäßiger Steigung entlang des Flusses Adda waren 700 Höhenmeter überwunden.
Bemerkenswert war hier eine 700 m lange, schnurgerade Rampe mit 11% Steigung, die so gar nicht zur Straße entlang der Adda passt. Diese Rampe entstand in der Folge eines gewaltigen Felssturzes hier im oberen Veltlin im Jahr 1987. Insgesamt 47 Mio. m³ Fels und Geröll begruben das Tal und den Ort Morignone unter sich. Die durch den Bergsturz mitgerissene Luft führte zu einem Windstoß in Orkanstärke, der auf dem gegenüberliegenden Hang zahlreiche Bäume umriss und den Kirchturm in Sant’Antonio Morignone zum Einsturz brachte (Quelle).
In Bormio beginnt dann die eigentliche Passstraße zum Gavia, gefühlt je höher, desto steiler. Im oberen Bereich, jenseits der 2000 m Marke, sind einige steile Passagen ohne Kehre kaum mehr sitzend zu bewältigen. Auf den letzten 3 km vor der Passhöhe lässt die Steigung deutlich nach und man hat ständig den Eindruck gleich da zu sein. Oben angekommen stellt sich ein Gefühl von Overtourism mit unglaublichem Trubel ein. Hier auf 2652 m wimmelt es von Autos, Motorrädern und Fahrrädern. Dies war schon bei der Auffahrt zu erwarten. Es waren sehr viele Radler unterwegs, die den Gavia einmal schaffen wollten, zudem haben uns unzählige Autos und lärmende Motorräder überholt. Nicht nur die Auffahrt auf den Gavia ist anspruchsvoll, sondern auch die Abfahrt Richtung Ponte di Legno. Steile, sehr schmale Asphaltbänder, die bei entgegenkommenden Autos kaum Platz zum Ausweichen lassen, erfordern höchste Konzentration.
Alle da, auf dem Dach der Tour
Der anspruchsvollste Teil der Etappe war zwar geschafft, aber es folgte mit dem Tonale und der Rückfahrt nach Cles noch der unangenehmere Teil. Diese Hauptverkehrsachse ist stark befahren und es gibt keine Nebenstrecken als Ausweichrouten. Entsprechend groß war die Erleichterung, als alle heil zurück in Cles ankamen.
Alle da, auf dem Dach der Tour
Bilder: Werner Henni, Andrea Lorenz, Wolfgang Wurzer, Jack Schmid