Tourverlauf mit Start und Ziel bei Cavalese
Überblick
Günthi
Bereits 6 mal waren wir bei der Tour Alpin in den italienischen Bergen (Dolomiten, Venetien und Friaul) unterwegs und haben dabei schon sehr viele Pässe und wunderbare Landschaften erkundet. Dennoch sind immer noch ein paar weiße Flecken übrig, die es noch zu erkunden gilt. Auch 2015 konnten in einer Rundfahrt wieder einige neue Anstiege im Palmares verbucht werden. Einzig der Monte Grappa, der uns 2014 oben mit Kälte und Nebel empfangen und uns mit Schnürlregen in die lange Abfahrt geschickt hatte sollte nochmal eine Chance für eine legendäre Aussicht erhalten, ansonsten standen mit dem Manghen, Croce d’Aune, Monte Tomba, Monte Cesen, Bosco del Cansiglio und dem San Pellegrino nur unbekannte Pässe auf dem Programm.
Unterstützt wurden die Alpinradler durch den Begleitfahrer Günther Dollinger, der für den Gepäcktransport und die Versorgung mit Getränken und Verpflegung sorgte – und warme Kleidung war auf dem Monte Grappa auch wieder erforderlich... Das Team war diesmal klein, u.a. deshalb, weil 5 Alpinradler kurz vorher die Pyrenäen auf einer organisierten Tour erkundet hatten und daher nicht dabei waren.
Die Etappen
1. Etappe: Von Ziano di Fiemme nach Pieve Tesino (67 km, 1800 Hm)
Sonntag, 6. September
Passo Manghen
2. Etappe: Von Pieve Tesino nach Montebelluna (115 km, 2100 Hm)
Montag, 7. September
Ein traumhafter, sonniger Tag stand uns bevor. Es dauerte zwar eine Weile, bis die Sonne die Gebirgstäler am Vormittag erreicht und erwärmt hatte, dafür entschädigten uns herrlich klare Luft und ständig wechselnde Ausblicke mit Postkartenidylle. Ein zusätzlicher Genuss war, dass wir auf den ersten 45 km bis ins Umfeld von Feltre lange Zeit keinen Autoverkehr hatten. So waren die 600 Höhenmeter auf 7 km Anstieg zum Passo Croce d’Aune ein wahrer Genuss. Croce d’Aune, so hieß auch eine Ausrüstungsgruppe von Campagnolo in den 80ern, mit der Campagnolo erstmals die sog. Deltabremsen einführte. Die Gruppe wurde in Deutschland kaum vertrieben.
Auf der PasshöheDer Pass verbindet noch mehr mit Tullio Campagnolo: Der Legende nach soll er auf die Idee zu Schnellspannnaben gekommen sein, als er mit seinen klammen Fingern bei einer Auffahrt im November die Flügelmuttern des Hinterrades (zum Gangwechsel) nicht öffnen konnte. Die Passhöhe ziert auch ein großes Denkmal zu seinen Ehren. Nach der langen Passabfahrt umfahren wir das hektische Feltre so gut es geht bis wir auf die breite Provinzstraße östlich der Piave einbiegen können, auf der zwar Lkw-Verkehr herrscht, auf der es aber stetig leicht abfallend zügig vorangeht. Nach einer Stärkung in dem kleinen Örtchen Vas – die Locanda Solagna wurde uns zu recht empfohlen – ist der Weg bis zum letzten langen Tagesanstieg nicht mehr weit. Anstatt 20 km bis zum Ziel in Montebelluna sollte es noch eine Herausforderung zum Monte Tomba sein. Ein schmales Asphaltband zieht sich nahezu ohne Kehren, dafür mit knackigen Steigungen durch den Wald. Auf einem 2,5 km langen Abschnitt forderte eine Steigung von ständig 15% und mehr nochmal alles ab. Auf dem Bergkamm angekommen, der zum Monte Grappa Massiv gehört, weitete sich dann unversehens der Blick Richtung Terra Ferma, dem Venezianischen Hinterland und unmittelbar vor uns die markante Bergkette der „Colli Asolani“. Das entschädigt für die Strapazen beim Anstieg. Der Rest der Etappe ist dann Kür, der Weg zum Montello und zur geschätzten Unterkunft Albergo alla Pineta sind bekannt und die Vorfreude auf den Prosecco zur Begrüßung auf der Terrasse steigt mit jedem Kilometer.
Blick über die Colli Asolani Richtung Adria
Auf der Passhöhe
Blick über die Colli Asolani Richtung Adria
3. Etappe: Rundkurs über den Monte Cesen (82 km, 1850 Hm)
Dienstag, 8. September
Der erste Tag in Montebelluna stand ganz im Zeichen des Monte Cesen. Zur Anfahrt über die vielbefahrene Ponte Vecchio bei Vidor nach Valdobbiadene, der Hauptstadt des Prosecco, gibt es keine Alternative. Wenige Meter nach dem Beginn des Anstiegs auf dem Monte Cesen sind dagegen kaum mehr Autos unterwegs, die Straße breit ausgebaut und in sehr gutem Zustand. Gelegenheit, die vielen eindrucksvollen Aussichten und Panoramen zu genießen. Beim Aussichtspunkt bei Hm 1000 war sogar die Lagune von Venedig zu sehen – ein italienischer Tourist hatte uns sein Fernglas zur Verfügung gestellt. Nach einem kleinen Plateau auf 1100 Hm folgt dann der Schlussanstieg zu den Almen (Malga), immer häufiger in Begleitung von Kühen am Straßenrand. Ziel war die bewirtschaftete Malga Mariech wo die Akkus mit Pasta, Gnocchi und Lasagne wieder aufgeladen wurden, dazu natürlich Prosecco (Ponte Vecchio). Bei der Wahl der Abfahrtsstrecke hatten wir dann kein glückliches Händchen. Ein kehrenreiches Sträßchen durch den Wald mit tiefen Löchern und Steinen in miserablem Zustand brachte uns zurück auf die Strada del Prosecco. Das wäre eher was für MTB gewesen, wir blieben dennoch von Pannen verschont.
Blick über Valdobbiadene und das Proseccoland
Blick über Valdobbiadene und das Proseccoland
4. Etappe: Rundkurs über den Monte Grappa (94 km, 2200 Hm)
Mittwoch, 9. September
Monte Grappa Tag: Für die ersten 30 km bis zum Beginn der Steigung haben wir uns verkehrsarme Nebenstrecken ausgesucht. Für die Auffahrt wurde dann die Variante ab Semonzo gewählt. Auf dieser Strecke wurde beim Giro d’Italia 2014 das Bergzeitfahren ausgetragen. Der 20 km lange Anstieg bietet alles was das Radlerherz begehrt. Eine verkehrsarme, gut ausgebaute Straße, schöne Kehrenpassagen mit Blick nach unten, nach oben immer steiler werdend durch Almwiesen und Kühe bis hinauf zum großen Parkplatz des Kriegsmonuments. Kein Regen heuer, aber auf 1700 Hm weht ein kühles Lüftchen und zeitweise ziehen Nebelschwaden durch. Die Rückfahrt auf den schmalen Asphaltbändern zum Monte Tomba, entlang zum Teil steil abfallender Felswände mit freiem Blick ist ein weiterer Genuss.
Blick auf den Monte Cesen mit Piave und Valdobbiadene
Blick auf den Monte Cesen mit Piave und Valdobbiadene
5. Etappe: Von Montebelluna nach Ponte nelle Alpi (107 km, 1740 Hm)
Donnerstag, 10. September
Zurück in die Berge, zunächst entspannt durch die Weinberge zwischen Conegliano und Valdobbiadene nach Vittorio Veneto. Auf die Hochebene des Bosco del Cansiglio, Naturpark und Ausflugsgegend, führt eine breite, perfekte Straße mit angenehmer Steigung, wenig Verkehr, also ideale Bedingungen. Leider fand die Leichtigkeit, Entspanntheit und Harmonie der Tour ein jähes Ende. Ein Sturz mit Notarzteinsatz auf der letzten Abfahrt führte die Risiken unseres Sports beklemmend vor Augen.
Vor dem Start an der Lieblingsunterkunft "Albergo alla Pineta" mit der Chefin Martha
Vor dem Start an der Lieblingsunterkunft "Albergo alla Pineta" mit der Chefin Martha
6. Etappe: Von Ponte nelle Alpi nach Ziano di Fiemme (94 km, 1730 Hm)
Freitag, 11. Septemberi
Für das Finale wurde dann verständlicherweise die kürzeste Strecke zurück in die Dolomiten über Belluno gewählt. Die Piste hat zum Teil Schnellstraßencharakter, ist aber sehr breit und gefahrlos zu bewältigen. Es geht immer an der Piave entlang, mehrere Tunnels können auf dem ehemaligen Straßenverlauf umfahren werden. Eine Pflege dieser Alternativen wäre in einigen Fällen dringend erforderlich. Die Strecke steigt nahezu permanent an, zunächst kaum zu merken, ab Cencenighe, der Abzweigung zum Pellegrino Pass wird’s dann knackig. Auf dem ersten Teil bis le Fratte fordern einen mehrere ungemütliche Rampen, der Schlussanstieg zum Pellegrino ist dann phasenweise sehr hochprozentig und ruppig zu fahren. Zudem führt eine Hauptverkehrsachse über den Pass, was die Bewertung noch weiter nach unten drückt. Einmal Passo San Pellegrino reicht! Auf der folgenden Abfahrt bis zum Ziel in Ziano di Fiemme nimmt der Verkehr immer mehr zu, eine weitere Bestätigung der Einschätzung des San Pellegrino.
Zurück im Hochgebirge am Einstieg zum Passo San Pellegrino
Grafiken: Jack Schmid
Bilder: Jack Schmid, Günther Dollinger und Manuel
Text: Jack Schmid