„Schön war's, aber jetzt reicht's auch! So anstrengend hatte ich es nicht erwartet!“ So lautete das Fazit der Teilnehmer der diesjährigen Tour Alpin 2009. Die Königsetappe am letzten Tag hatte alle mehr als gefordert. Drei Pässe – zuletzt der Passo Falzarego – waren an diesem Tag zu bewältigen, bis die neun Radler und ihr Begleitfahrer wieder am Ausgangspunkt der Rundfahrt in Toblach im Pustertal ankamen.
Das Konzept
Nichts völlig Neues sollte es diesmal sein, denn die 4 Touren seit 2005 konnten diesmal ihre Abrundung erfahren.
Herrliche Regionen, die damals den Rahmen gesprengt hätten, aber zum Pflichtprogramm gehören wie Karnien mit dem wunderbaren Sauris, der Triestiner Karst mit der Traumstraße entlang der Küste und die Collio-Region, die "Toskana des Nordens" - alles im Friaul - waren noch Neuland. Als Schmankerl wurden noch einige Highlights der letzten Touren (Soča, Montello, Falzarego) eingebaut und schließlich warteten noch ein paar Pässe auf uns, die wir aufgrund der damaligen Witterungsverhältnisse nicht befahren konnten (Passo Duran, Forcella Staulanza, Sella Nevea).
Ferrovia dello Stato - Bahnfahrt
Die Venetientour 2008 hatte uns gelehrt, dass es aufgrund des Verkehrs, der Straßenführung und der mangelhaften Beschilderung sehr mühsam ist, die flache Terraferma mit dem Rad zu durchqueren. Die 4. Etappe bestand daher aus zwei Halbetappen verbunden durch einen bequemen und zeitsparenden Bahntransfer von Triest bis vor die Ausläufer des Montello.
Das alles konnte in eine Rundfahrt eingebunden werden und diesmal war uns auch Petrus wohlgesonnen, so dass alle Etappen wie geplant bewältigt werden konnten.
Die offizielle Tour-Postkarte mit Lagazuoi, Albergo Alla Pineta, Strada del Prosecco, Passo San Boldo, Triest, Lupi di Toscana
1 - Von den Dolomiten in die Karnischen Alpen (84 km) >>
von Toblach über den Kreuzbergpass und Sella di Razzo ins Friaul nach Sauris
2 - Von den Karnischen zu den Julischen Alpen (118 km) >>
über Sella Nevea zu Gigi - Hotel Edelhof - in Tarvisio
3 - Von den Julischen Alpen ins Collio (161 km) >>
ber Krajnska Gora und Vršič, dann entlang der Soča über Tolmin ins Collio
4 - Vom Collio über Prosecco zum Prosecco (119 km) >>
2 Halbetappen mit Highlights entlang der Adriaküste und Zugtransfer ab Triest
5 - Ruhetag in Montebelluna (80 km) >>
Kreuz und quer durch's Proseccogebiet
6 - Durch die Venezianer Alpen in die Dolomiten (98 km) >>
über den Passo San Boldo nach Agordo
7 - Finale in den Dolomiten (111 km) >>
in einer Traumkulisse zurück nach Toblach
Sonntag, 6. September
Start um halbzwölf am Hotel Rosengarten in Toblach Richtung Innichen. Bis Sexten war im dichten Ausflugsverkehr höchste Konzentration gefordert. Als dann der Kreuzbergpass in Reichweite kam, wurde der Verkehr wie erwartet immer weniger und für den Rest des Tages hatten wir die Straßen fast für uns alleine. Es folgte eine 30 km Abfahrt zum Genießen bevor es nach der wildromantischen, aufgelassenen Straße entlang der Piave in den immer steiler werdenden Anstieg zum Sella Ciampigotto und Sella di Razzo ging. Enge, steile, nicht enden wollende Kehren waren für eine Startetappe schon sehr anspruchsvoll. Nach einer Rast auf der Passhöhe (Bar Baita Ciampigotto) war auch bei der Abfahrt auf dem schmalen, kurvenreichen Passträßchen wieder volle Konzentration gefragt, da vor allem der Motorradverkehr bis Sauris immer mehr zunahm.
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Montag, 7. September
Die ersten 30 km der Etappe von Sauris ins Tagliamento-Tal waren ein Genuss. Es geht fast nur bergab, die vielen und mitunter auch recht langen Tunnels nach dem Stausee sind trocken und gut beleuchtet. Um dem Verkehr im Tagliamentotal auszuweichen umgingen wir Tolmezzo über Verzegnis und Cavazzo zum gleichnamigen See. Abwechslungsreich ging es weiter, wie erwartet mit wenig Verkehr und einigen Traumabfahrten bis zur Mittagsrast in Venzone.
Gut erholt klinkten wir uns gestärkt in die SS 13 ein, die wir dann erst in Chiusaforte wieder verließen. Im Gegensatz zu anderen Strade Stadale (SS) auf denen einem aufgrund der ständig im cm-Abstand vorbeidonnernden Lkw bisweilen das Blut in den Adern gefriert, ist diese Passage fast schon ein Genuss: Übersichtliche, breite Straße mit wenig Verkehr aufgrund der nahen Autobahn. Noch viel ruhiger wurde es dann im Raccolanatal, wo die Geräuschkulisse vom Flüsschen und nicht vom Verkehr bestimmt wird. Auch unter den Radlern herrschte eine angespannte Ruhe, da die Anfahrt zum Sella Nevea sehr lange im Talgrund entlangführt und jeder wusste: je kürzer die Strecke für die vielen noch fehlenden Höhenmeter, desto steiler würde es werden. Steiler als erwartet war es, gewürzt mit langen Rampen. Im lichter werdenden Wald im oberen Bereich geben die Kehren weite Ausblicke in die Julischen Alpen frei, die im Anstieg nur unzureichend gewürdigt werden konnten. Die Abfahrt zu Gigi in Tarvisio zog sich dann auch noch, da es nicht reicht, einfach die Bremsen aufzumachen. Das "Paulaner" im Edelhof hatten wir uns dann redlich verdient.
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Dienstag, 8. September
Die schattige Auffahrt zu den Lagi Fusine (Weißensteiner Seen) war ungemütlich kalt und steil. Entschädigt wurden wir für die Quälerei am Morgen, durch einen perfekt ausgebauten Radweg, der auf halber Höhe nach Slowenien abzweigt und direkt an der Grenze endet. Auf den folgenden 6 km bis Krajnska Gora brausten wir bei leichtem Gefälle der Herausforderung des Tages entgegen. Die Auffahrt auf den Vršič Pass von dieser Seite hatten wir als nicht besonders anspruchsvoll eingestuft - 2006 waren wir nach Krajnska Gora abgefahren. Doch auch die Auffahrt von Norden erwies sich als sehr hart. Kehren mit Kopfsteinpflaster, die den Rhytmus regelmäßig brechen, steile Rampen und Scharen von Motorradfahrern die in großen Konvois vorbeiknattern machen den Pass auch von dieser Seite zur Herausforderung. Auf der Passhöhe angekommen, wollen die dann immer noch fehlenden 130 km bis zum Ziel auch erst noch gefahren werden, selbst wenn es vorwiegend bergab geht. Hubert, unsere Lokomotive für solche Strecken, hat es sich nicht nehmen lassen, 80 km wie mit Tempomat vorauszufahren - mitunter lief es wie bei einem Mannschaftszeitfahren. Sehr auffällig war, dass sich slowenenische Autofahrer was Rücksichtnahme anbelangt, wesentlich von den italienischen unterscheiden. Im Gegensatz zu Italien wird hier anscheinend vorwiegend nach dem Gesetz des Stärkeren gefahren, nicht selten mit kritischen Manövern zu Lasten der Radler.
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Mittwoch, 9. September
Bei der Fahrt vom Collio über Triest zum Montello in 2 Halbetappen mit Highlights entlang der Adriaküste und Zugtransfer von Triest ins 100 km entfernte S. Dona di Piave waren 3 "Herausforderungen" eingeplant. Die erste war der Anstieg von Farra d'Isonzo auf die Karsthöhe - sehr gute Straßen sehr wenig Verkehr, ein Genuss, wie auch die für den Schwerverkehr gesperrte Strada Costiera von Sistiana nach Triest. Die zweite Herausforderung war der kurze und knackige Anstieg von der Küstenstraße in Triest zu Leuchtturm, keine lange Strecke, aber gemeine Rampen. Zuletzt kam dann noch der Anstieg von der Panoramica in Montebelluna zur Unterkunft "Albergo alla Pineta". Das Hotel ist über eine Privatstraße erreichbar, bei der die Anzeigen der Bordcomputer weit mehr als 20 % angaben... Bestätigt wurde ein weiteres Mal unsere Einschätzung der Terraferma: Verkehrsreich, schlecht beschildert und selbst wenn der Weg in der Karte schnurgerade eingetragen ist, kommt man ohne ständige Neuorientierung sicher nicht ans Ziel.
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5. Etappe - Ruhetag (80 km, 840 Hm)
Donnerstag, 10. September
Im Umfeld der Piavebrücken Ponte di Vidor und Ponte Priula die jeweils ein Nadelöhr darstellen, ist dichter, hektischer Verkehr. Doch kaum nimmt man eine Abzweigung beginnt eine entspannte Fahrt durch die Prosecco Weinberge, ein perfektes Trainingsgebiet. Nicht umsonst ist Rennradfahren hier Volkssport, das Team Liquigas ist hier beheimatet. Nach der lockeren Tour durch die Weinberge wählten wir auf dem Rückweg wieder die "Dorsale" über den Montello, diesmal etwas entspannter als im vorigen Jahr, als uns Elvis Curtolo im Liquigas Trikot begleitete.
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Freitag, 11. September
Die Anforderungen nehmen wieder zu. Den Passo San Boldo erwarten wir mit Vorfreude, er ist wirklich der erwartete Leckerbissen. Die Anfahrt kann mit Zug auf den Pedalen genommen werden, der Blick wandert immer wieder nach oben, wann denn endlich die Kehrentunnel beginnen. Die engen, gut beleuchteten Röhren mit der kriegerischen Vergangenheit können bei der Auffahrt noch intensiver genossen werden als abwärts.
Nach rasender Abfahrt erreichen wir Trichiana, überqueren erneut die Piave und befinden uns schon bald in der Anfahrt zum Lago di Mis an dessen Westseite das ruhige Sträßchen durch viele unbeleuchtete, kurze Tunnel geführt wird. Die Steigung nimmt im weiteren Talverlauf ständig zu. Einige gerade Rampen zu Beginn des Schlussanstiegs können zermürben, bis die gut zu fahrenden Kehren bis Forcella Franche erreicht sind. Die Abfahrt zum Ziel in Agordo lässt keine Wünsche offen: breite Straße, gut ausgebaute Kehren und guter Straßenbelag. Perfekte 10 km schließen die Etappe ab.
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Samstag, 12. September
"Jetzt fahren wir schon 6 km steil bergauf und es gab noch keine einzige Kehre...", das war die erste Erkenntnis auf der Königsetappe. Der Passo Duran beginnt praktisch am Hotel und bei diesem abrupten Einstieg in die Steigung war jeder zunächst mit sich selbst beschäftigt und es dauert eine geraume Zeit, bis die Phase der inneren Nivellierung verlassen wird. Im oberen Teil des Anstiegs finden sich dann zwar einige Kehren und die Steigung lässt zwischendurch auch nach, insgesamt ist der Duran aber sehr hart zu fahren. Sehr positiv dagegen ist, dass wir den Pass nahezu für uns alleine haben, kaum ein Auto verirrt sich hier herauf. Auch auf der höllisch engen und steilen Abfahrt wissen wir diesen Umstand sehr zu schätzen. Im weiteren Verlauf der Etappe nimmt der Verkehr dann immer mehr zu, bis wir am Ende im Gemärk von Kolonnen rücksichtsloser Urlaubsheimfahrer überholt werden. Zunächst aber der zweite Pass des Tages, Forcella Staulanza, ein Anstieg der mit rundem Tritt gefahren werden kann, nicht zu steil und gut ausgebaut. Eine kehrenlose, breite Straße mit gutem Belag lässt dann auch auf der Abfahrt nach Selva di Cadore ein flottes Tempo zu - da ist Konzentration gefragt. Es sind dann zwar immer noch 70 anspruchsvolle Kilometer bis zum Ziel, die Strecke ist allen schon bekannt, insofern fast ein Heimspiel. Der Anstieg zum Falzarego mit seiner konstanten Steigung und den erholsamen Kehren wird zum abschließenden Kräftemessen vor der rasenden Abfahrt nach Cortina d'Ampezzo und dem disziplinierten Finale durch das Gemärk, wo Pietro das Team in Zeitfahrformation zurück nach Toblach führt.
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Ausklang
Was bleibt am Ende einer so intensiv erlebten Woche mit 770 Kilometern im Sattel und 12000 erklommenen Höhenmetern? Zuerst und vor allem die Erkenntnis, dass der Einzelne in einer Gruppe, in der Rücksichtnahme und Disziplin im Mittelpunkt stehen, zu Leistungen fähig ist, die er alleine nicht vollbringen könnte. Aber auch , dass, bei allem sportlichen Ehrgeiz am Ende der Rundfahrt, wenn der Schuh zum letzten Mal aus dem Pedal „geklickt“ wird, für jeden das Wichtigste ist, dass alle gesund und wohlbehalten angekommen sind. In Erinnerung bleibt die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Italiener, die bei Orientierungsfragen auch mal ganz unkompliziert die Führung der Gruppe übernehmen wie auch die Schönheit des Landes und die Freude am Essen und Trinken. Nach dieser einwöchigen Zeitreise geht es dann wieder „zurück in die Wirklichkeit“.
Terraferma, am Horizont Colli Euganei und Monti Berici mit Pietro, Werner, Willi, Bebbo, Hubert, Manfred, Hubert, Günthi, Jack
Text: Manfred, Jack