Rennrad Tour durch die französischen Pässe und Schluchten der Provence
Tourverlauf: Start und Ziel Briançon
Frankreich - Teil 2
Die Tour Alpin 2011 führte uns in die Region Rhône-Alpes, mit den höchsten und anspruchsvollsten Alpenpässen. 2012 rundeten wir das Frankreichprojekt nun mit einer Fahrt durch die südlich anschließende Region "Provence-Alpes-Côte d'Azur" ab. Start- und Zielort war Briançon an der Nahtstelle zur Region Rhône-Alpes. Für An- und Abreise über den San Berardino Pass, Mailand und Turin waren jeweils ein Tag einzuplanen, so dass wir insgesamt 9 Tage unterwegs waren. Der Routenverlauf konnte zwar diesmal nicht mit vielen Namen von ganz großen Pässen aufwarten, aber es lockte vor allem ein Berg: der Mont Ventoux. - ein magischer Name für jeden Rennradler. Doch bis er seine besondere Magie entfalten konnte, zeigte sich Frankreich täglich auf's Neue von seinen schönsten Seiten.
Bei sonnigem Wetter ging über Pässe entlang der „Route des Grandes Alpes“ und durch spektakuläre Schluchten, an denen man sich kaum satt sehen kann, durch Weinberge und üppige Lavendelfelder, deren beruhigender Duft über der Landschaft wogte.
Provenzalisches Flair in Castellane
Vive la Provence, oder: alte Liebe rostet nicht...
Eigentlich war die Tour nur zur Abrundung des Projektes „Französische Alpen“ gedacht – mehr oder weniger zum Abhaken fehlender Pässefahrten. Dass es ganz anders kam und alle mit Fernweh an diese Tour zurückdenken, liegt maßgeblich an der Provence mit ihrem vielfältigen Charme, ihren Cafés, pittoresken Orten, dem Duft der Lavendelfelder und dem Dauerkonzert der Zikaden.
Natürlich trugen auch Constantin in Castellane, Cederic in Buis les Baronnies, Christelle in Gap und die vielen anderen freundlichen und um unser leibliches Wohl besorgten Südfranzosen dazu bei.
Ein Kontrastprogramm im Vergleich zu den kühl und abweisend wirkenden Orten im Umfeld der Pässe in der Region Rhône-Alpes.
Richard
Unser Richard
Wie im letzten Jahr war Richard auch diesmal als Begleitfahrer ständig an unserer Seite. Er wies an entscheidenden Kreuzungen und Abzweigungen den richtigen Weg, besorgte jeden Tag die Mittagsbrotzeit (regionale Käse und Wurstwaren, frisches Baguette, Obst und natürlich Wein). Dass immer ausreichend Wasser an Bord war und auch mal ein Schwedenpils oder ein Löschzwerg griffbereit waren, gehört auch zu seinen Tugenden. Nicht zuletzt hat er sich wieder erfolgreich als Tourphotograph betätigt.
Die Etappen
1 - Von Briançon nach Barcelonette, Route des Grandes Alpes (100 km) >>
Briançon - Col d'Izoard - Guillestre - Col de Vars -
Barcelonette
2 - Von Barcelonette nach Castellane, Route des Grandes Alpes (120 km) >>
Barcelonette -
Col de la Cayolle - Gorges de Daluis - Col de Toutes Aures -
Castellane
3 - Von Castellane nach Manosque, Canyon du Verdon (118 km) >>
Castellane -
Canyon du Verdon -
Route de Crete - Mustiers St. Marie - Plateau de Valensole -
Manosque
Gap - Lac des Serre Ponçon - La Route des Puys -
Embrun -
Les Balcons de la Durance -
Briançon
Profil der kompletten Tour
1. Etappe (100 km, 2345 Hm)
Sonntag, 22. Juli
Diese erste Etappe ist Bestandteil der "Route des Grandes Alpes" vom Genfer See zur Côte d'Azur, von der wir auch im vorigen Jahr schon einige Abschnitte in unsere Tour eingebaut hatten
Am Col d'Izoard
Trotz strahlender Sonne war es beim Start auf 1200 m in Briançon, der zweithöchst gelegenen Stadt Europas, doch noch recht kühl. Wir hatten auch gleich unsere erste von vielen Begegnungen mit der Durance, die hier als kleiner Gebirgsbach am Hotel vorbeifließt. Unmittelbar nach der Überquerung begann die erste lange Steigung hinauf zum ersten und auch schon höchsten Pass der Tour, dem Col d'Izoard. Der fast 20 km lange Anstieg zur 2360 m hoch gelegenen Passhöhe bereitet keine Probleme. Zunächst über weitläufige Wiesen, vorbei an kleinen Häusergruppen windet sich die wenig befahrene Straße schließlich hoch bis in felsig-karge Höhen und zu den bizarren Felsformationen der "Casse Déserte". Die folgende, 30 km lange Abfahrt bis Guillestre auf gutem Belag und breit ausgebauter Straße, ist mit Hochgenuss in der Gruppe zu fahren und eh man sich's versieht weisen die Schilder am Kreisverkehr vor Guillestre schon Richtung Col de Vars mit wiederum fast 20 km Anstieg. Der Lohn der Anstrengungen in der nachmittäglichen Hitze ist dann wiederum eine 30 km lange Abfahrt bis zum Quartier im mexikanisch geprägten Barcelonette. Aus der Umgebung dieses Ortes wanderten im 19. Jahrhundert viele Bewohner nach Mexiko aus und kamen dort auch zu Reichtum. Nach ihrer Heimkehr nach Barcelonnette und in andere Gemeinden des Ubaye-Tals prägten sie dann die Orte mit Bauwerken im mexikanischen Stil. Wir wohnten im Hôtel Azteca!
Diese erste Etappe ist Bestandteil der "Route des Grandes Alpes" vom Genfer See zur Côte d'Azur, von der wir auch im vorigen Jahr schon einige Abschnitte in unsere Tour eingebaut hatten.
Die zweite, landschaftlich sehr abwechslungsreiche Etappe führte uns aus dem Hochgebirge mit den zum Teil recht ungemütlich kalten Winden hinaus in die hügelige, sonnenverwöhnte Provence. Wir folgten weiter der „Route des Grandes Alpes“ Richtung Süden. Die erste halbe Fahrstunde mit recht geringer Steigung eignete sich gut zum Einrollen. Nach der bedrohlich eng wirkenden Schlucht am Fuß des Col de la Cayolle verlief das kleine Sträßchen über Wiesen, durch Wälder und vorbei an reizvollen kleinen Wasserfällen wieder bis in felsige Höhen. Nur wenige motorisierte Touristen sind unterwegs und auf der Strecke gibt es zahlreiche freundlich Begegnungen mit Radlern, von denen einige auch gestern schon den gleichen Weg hatten wie wir. Die kalte Passhöhe lud nicht wirklich zum Verweilen ein und nach einem gemeinsamen Foto am Pass verscheuchte uns ein kühler, sich durch die Jacken fressender Wind talwärts.
Richtung Provence
Nach der Mittagsrast, ein Gefühl von Wärme und Provence machte sich allmählich breit, staunten wir nicht schlecht, als wir die Gorges de Daluis erreichten. Eine tief eingeschnittene Schlucht in leuchtend rotem Tonstein wird auf einem Sträßchen durchquert, das sich häufig teilt. Die nach Süden führende Fahrbahn durchläuft enge Tunnels, während man gen Norden direkt an der Schlucht entlang fährt - überwältigend. Die Eindrücke wirkten noch nach, als wir uns innerhalb weniger Kilometer in typischem Provence-Ambiente wiederfanden. Stehende Hitze in den Straßen, begleitet von der ständigen Geräuschkulisse der Zikaden - so sollte das die nächsten Tage bleiben. Nach dem etwas zermürbenden Anstieg zum Col de Toutes Aures folgte auf dem Rest der Etappe ein angenehme Abfahrt zum Lac des Castillon, einem beliebten Badesee, eine interessante Fahrt über dessen Staumauer und die genussvolle Abfahrt durch breite Kehren zum Ziel in Castellane.
Das kleine, quirlige Städtchen Castellane verströmt schon typisch provenzalisches Flair mit seinem zentralen Platz für den Wochenmarkt und den zahlreichen einladenden Cafés. Für uns und viele andere Touristen war dies der Ausgangspunkt für eines der beeindruckendsten Naturerlebnisse unserer langjährigen Touren, der Canyon du Verdon. Man nähert sich dem Canyon zunächst auf beschaulicher Straße am kleinen Flüsschen Verdon entlang. Auffällig viele Campingplätze und Angebote für Wassersportler werden immer häufiger abgelöst von senkrechten Felswänden, in denen sich die Straße unter dem überhängenden Fels elegant dem Flusslauf anpassen kann.
Blick hinunter ...
Einen ersten Eindruck des Canyon kann man vom Belvédère du Couloir Samson auf sich wirken lassen. Eine kleine Stichstraße mit einem großen Parkplatz am Ende führt quasi bis zur Pforte des Canyons mit seinen senkrecht aufragenden Kalksteinwänden, in dem die bunten Kajaks mitsamt dem leuchtend türkisblauen Wasser verschwinden. Die Eindrücke potenzieren sich dann auf der Routes des Crêtes, einer Panoramastraße, die angelegt wurde um die gewaltigen Dimensionen dieser Schlucht auch motorisierten Touristen (und Radlern) erfahrbar zu machen. Einige dieser Aussichtsplätze werden auch von Kletterern bevölkert, die sich neben staunenden „Motorisierten“ scheinbar todesmutig an den senkrechten Wänden abseilen und wieder hochklettern. Auch diese hautnah-Erfahrung kann man sonst kaum erleben.
... in die Schlucht des Canyon du Verdon
Gekrönt wurde dieses Sightseeingerlebnis dann von einer traumhaft schönen, langen Abfahrt durch schattige Pinienwälder bis zum Ausgang des Canyon, an dem der Verdon in den knallig türkisen Stausee Lac de Sainte-Croix mündet. Nach einem kleinen Abstecher in das malerische, aber überlaufene Moustiers St. Marie mit seinem zwischen zwei Berggipfeln an einer Kette hängenden Stern zehrte dann die nachmittägliche Hitze in den Steigungen auf die Hochebene von Valensole. Lavendelfelder soweit das Auge reicht, dazwischen kleine Fabriken, die daraus das begehrte Öl destillieren, bis es schließlich in rasender Fahrt hinunter ins Tals der Durance und zum städtisch geprägten Zielort Manosque ging.
Die 4. Etappe war aufgrund der Länge bzw. Kürze und des Profils als Ruhetagsetappe deklariert. Auf überwiegend sehr ruhigen Nebenstrecken mit angenehm hügeligem Profil durchquerten wir das bekannte Weinbaugebiet Luberon auf der Südseite des gleichnamigen Gebirgszugs bis Lourmarin.
Bonnieux: Erster Blick zum Mont Ventoux
Das kleine Dorf ist fest in Touristenhand, es gilt als der schönste Ort des Luberon. Der Gebirgszug wird zwischen Lourmarin und Bonnieux geteilt, so dass die Querung nicht mit vielen Höhenmetern verbunden ist, doch die Hitze in den Steigungen der Pinienwälder machte uns zu schaffen. Von Bonnieux aus, das sich auf der Nordseite der Bergkette an den Hang anschmiegt, bekommen wir ihn dann erstmals zu sehen, den Mont Ventoux, der im Dunst in weiter Ferne unschwer an seinem hellen Gipfelbereich erkennbar ist. Am Etappenziel in Gordes können wir uns schließlich, angemessen für einen Ruhetag, noch im Pool erholen und genießen abends das beste Menue der Woche.
Bei Kaiserwetter starten wir zur Königsetappe auf den Mont Ventoux. Vorbei am malerischen Gordes und dem Zisterzienserkloster Senanque, zwei Perlen der Provence, rückte der imposante und mit seinem kahlen Gipfelbereich mit Sendemasten unverkennbare Berg immer näher. Von Süden her bieten sich zwei Auffahrten an: Wir wählten beide! Zwei Boarn (landsmannschaftlich östlich des Lechs angesiedelt) nahmen die kürzere, steilere und kräftezehrendere Variante von Bédoin aus, die anderen die lange, mäßig steile Variante von Sault.
Letztere beschenkten sich noch mit der Passage durch die Gorges de la Nesque, ein weiterer, tief eingeschnittener Canyon an dessen Nordseite ein schmales Sträßchen in den Fels gebaut wurde. Gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten auf ständig ansteigender und immer kühner anmutender Strecke erklimmen wir den Scheitelpunkt und nach rasanter Abfahrt im Lavendelduft beginnt dann in Sault der Anstieg zum Ventoux. 20 km sind es bis zum Chalet Reynard und man gewinnt dabei lediglich 650 m an Höhe – ohne das Erlebnis der Gorges de la Nesque wäre diese Variante eine kleine Enttäuschung gewesen.
Mont Ventoux, noch viel weiter entfernt als man denkt...
Beim Chalet Reynard treffen sich die beiden Streckenvarianten und ab hier beginnt die gnadenlose Zone, bergfahren in seiner reinsten Form. Der Gipfel – und man fährt hier tatsächlich über den Gipfel, keinen Pass, scheint greifbar nahe, dabei sind noch 460 Höhenmeter auf 6 langen Kilometern schutzlos in der Steinwüste zurückzulegen. Hier traf sich die ganze Mannschaft wieder. Die beiden Boarn waren da bereits vom Gipfel zurück und planten die zweite Gipfelfahrt in mäßigem Tempo zu genießen. Doch ein paar junge Schweizer, die nach einer kurzen Unterhaltung zu Beginn des Anstiegs mit einem „also dann tschüs“ davoneilen wollten, hatten damit den Fehdehandschuh geworfen. Sie waren dann oben, nach unserem Boarn-Trio, nur zweiter Sieger!
Die Elite beim zweiten Erstürmen des Mont Ventoux
Der Gipfel gleicht einem Jahrmarkt, so dass wir nach kurzem Aufenthalt Richtung Malaucene abfuhren. Und so beeindruckend wie der Anstieg ist auch diese Abfahrt, sie zählt sicher zu den schönsten, die es in den Alpen gibt. Anfangs lange, breite, steile Rampen mit bestem Belag (die erreichten Geschwindigkeiten bleiben unter uns...) gehen bald über in bestens zu fahrende Kurven und Kehren, die kaum einmal den Griff zum Bremshebel erfordern – ein Traum.
Die Alpinradler auf dem Mont Ventoux
Nach Café, Panaché und Perrier Cassis im hitzegeschwängerten Malaucène rollten wir dann entspannt die ersten Kilometer im Departement Drôme zum Ziel in Buis les Baronnies, wo wir bestens versorgt wurden. Über eines waren sich alle einig: Wer den Mont Ventoux nicht gefahren ist, hat eine klaffende Lücke in seinem Palmarès.
Das Departement Drôme wird von Kennern als perfektes Trainingsgebiet geschätzt, das können wir nur bestätigen. Schon wenige Kilometer nach Buis wird es auf der leicht ansteigenden Straße immer ruhiger, fast keine Autos, einige Radler und eine perfekt ins Gelände eingepasste Straße zum Col de Perty, der einen letzten Blick zum Mont Ventoux freigibt.
Rast und Abkühlung im Waschhaus
Nach 25 km rauschender Abfahrt fanden wir uns dann im breiten, aufgeheizten Tal der Durance wieder.
Die Suche nach einer Bar mit kühlen Getränken endete in einem kleinen Dorf, das sehr wenig Leben verströmte, keine Bar weit und breit, so dass wir uns im kühlen Wasser des örtlichen Waschhauses erfrischten. Auf der Weiterfahrt durch endlose Obstplantagen hatte man den Eindruck, Christo sei hier gewesen, so gut waren die Bäume in Plastik verpackt. Gap, unser Etappenziel erweist sich dann erwartungsgemäß als Stadt mit viel Verkehr, Baustellen und Staus.
Auf der letzten Etappe von Gap nach Briançon sollte die Durance eine Begleiterin mit vielen Gesichtern sein. Nach einer Stunde einrollen auf der vielbefahrenen N 94 kam der Lac de Serre Ponçon, der größte Stausee Europas, ins Blickfeld. Die Durance, aufgestaut, fügt sich malerisch in das Bergpanorama ein.
Nach Embrun, am Nordende des Sees, überqueren wir den Fluss auf einer schmalen Holzbrücke und finden uns auf einer eindrucksvollen Nebenstrecke, die die Franzosen „Les balcons de la Durance“ nennen. Und tatsächlich fährt man mit Balkonausblick hoch über der Durance, auf deren türkis leuchtendem Band im weiten Tal die bunten Kajaks kontrastieren.
Bei Guillestre lassen es sich dann unsere drei unermüdlichen Boarn nicht nehmen, über den Col d’Izoard zurück nach Briançon zu fahren. Für den Rest der Truppe geht es auch anspruchsvoll in stetigem auf und ab weiter in Begleitung der Durance, die dann auch noch einen tief eingeschnittenen Canyon zu bieten hat. Glücklich und zufrieden zurück in Briançon begießen wir dann mit unseren Boarn die erfolgreiche Woche mit nicht nur einem Bier...